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Lohnt es sich noch Pathologe zu werden? Impulsvortrag mit Felix Faber für Mind Peak AI

Datum: 18.02.2021, 19:00 Uhr


Wer zu Beginn des Impulsvortrags von Felix Faber, CEO des Startups Mindpeak, Angst hatte, künstliche Intelligenz könne langsam aber sicher Ärzt:innen abschaffen, den konnte der spannende Einblick in die Technologie hinter diesem jungen Unternehmen beruhigen. Denn wie Faber schon früh erklärt: AI kann in der Pathologie die Arbeit des Pathologen beschleunigen und effizienter gestalten, aber noch lange keinen voll ausgebildeten Facharzt ersetzen. Dazu fehle es ihr unter anderem an Kontextwissen, das im Menschen über Jahre reift und einen geschulten Blick auf Bildpräparate ermöglicht, unabhängig von technischen Unsauberkeiten.

Das Ziel von Mindpeak ist ein Klares: pathologische Diagnostik beschleunigen. Vor diesem Hintergrund wurde das Unternehmen 2018 gegründet und kooperiert mittlerweile mit niedergelassenen Pathologen in ganz Deutschland. Ein Hauptfaktor hinter diesem Gründungsprozess war laut Faber das Timing. Es gäbe viele gute Ideen, aber die meisten Krankenhaussysteme sind noch geschlossen und umständlich, bieten also nicht viel Raum für digitale Innovation. Daher zunächst das Ausweichen auf niedergelassene Ärzte, denn dieser Markt war schon bereit für technischen Fortschritt. Dies kann man unter anderem auf einen Wandel in der Arbeitsstruktur zurückführen, der in den letzten Jahren die Pathologie verändert hat: zum Einen gibt es eine steigende Anzahl an Krebsfällen, zum Anderen werden die einzelnen Fälle immer komplexer verarbeitet, sodass mittlerweile 44% mehr Slides pro Fall ausgewertet werden müssen als in den Vorjahren. Gleichzeitig gibt es in der Pathologie, wie in so vielen medizinischen Fachrichtungen, Nachwuchsprobleme. Während es 2018 noch unklar schien, ob in naher Zukunft Pathologen vorrangig am Bildschirm arbeiten würden, gibt es mittlerweile eine sehr große Bereitschaft unter den Ärzt:innen auch Remote zu arbeiten, was den Einsatz weiterer Technik begünstigt. Und auch Scanner haben sich in ihrer Bildbearbeitungszeit stark verbessert: während vor 10 Jahren bis zu einer halben Stunde pro Bild aufgewandt werden musste, braucht ein moderner Scanner heute im Schnitt dafür nur 2 Minuten. Die Geschwindigkeit, in der Daten jetzt generiert werden können, bietet einen weiteren Anreiz künstliche Intelligenz auf diesem Markt einzusetzen.

Was kann diese KI nun also? Vor allem gehe es um die Detektion von Zellen und immunhistochemisch gefärbten Strukturen. Dabei sei die KI in ihren Möglichkeiten noch begrenzt, weshalb sie einen Pathologen lediglich unterstützen aber nicht ersetzen könne. Ein großes Problem sei die große Varianz in der klinischen Routine. Die Qualität der Bilder ist stark von äußeren Faktoren abhängig, beispielsweise kann allein die Temperatur im Labor das Bild verändern. Daher sei es nicht einfach möglich, einen allgemeinen Algorithmus für alle zu entwickeln. Da viele Untersuchungen auf einer Kohorte aufbauen (was hier meint, dass sie in einem bestimmten Setting inklusive dem gleichen bearbeitenden Personal, Scanner und Stainer, stattfinden) ist es leichter eine KI für dieses spezifische Umfeld zu entwickeln um mögliche Fehlerquellen in der Bilderkennung zu minimieren. Faber nennt an dieser Stelle ein Beispiel um diesen Effekt zu verdeutlichen: Während es einer KI leicht fallen kann Regeln zu lernen und anzuwenden, sodass sie Menschen im Schach problemlos schlagen kann, wird ein Mensch immer ohne Probleme einen Stuhl erkennen, egal wie abstrakt er vielleicht gezeichnet sein mag. Solange die Grundstruktur einer Sitzfläche und Stuhlbeine angedeutet werden, können wir dieses Bild in den passenden Kontext einordnen, auch wenn die Stuhlbeine vielleicht untypisch in die falsche Richtung zeigen oder sich kreuzen. Das Gleiche trifft auf Patholog:innen zu. Sie können besser mit Varianz umgehen als ein Algorithmus, da für sie ein braun gefärbter Ausschnitt immer auf den ersten Blick als braun zu erkennen bleibt, während eine KI abhängig von einem begrenzten, vorgegebenen Farbspektrum sein kann oder den Trainingsdaten auf denen sie beruht. Daher eignet sie sich besonders darin, in Bildern vorzusondieren, welche Bereiche besonders interessant sein könnten um so den bearbeitenden Ärzt:innen Einiges an umständlicher Vorarbeit zu ersparen. Auf die Publikumsfrage wie viel Zeit man sich mit einer KI sparen könne, gibt Faber an, dass ein normaler Facharzt in der Dermatohistologie in der Regel 30 Sekunden bis 2 Minuten pro Bild mit Verdacht auf Nagelpilz bräuchte. Zusammen mit ihrer KI könne in diesem Anwendungsgebiet ein Bild in 2 Sekunden bearbeitet werden. Vor dem Hintergrund mangelnden Personals also ein großer Arbeitsvorteil.

Eine Technologie, die Mindpeak hier anwendet ist Deep Learning. Dabei wird einem Algorithmus die Freiheit gelassen selbst aus vorgegebenen Daten zu Lernen. In vielen gelabelten Trainingsbeispielen kann der Computer dann Muster und Zusammenhänge erkennen und selbst Regeln ableiten. Durch seine Generalisierungsfähigkeit kann ein neuronales Netz dann auch in noch nie gesehenen Bildern Strukturen erkennen, eine Technologie, die man von selbstfahrenden Autos kennt. Prinzipiell lässt sich sagen, dass wie in allen Bereichen der Digitalisierung, Big Data das System exponentiell verbessern kann - je mehr Trainingsbilder, desto zuverlässiger wird die KI. So hatte 2010 die beste Bilderkennungssoftware noch eine Fehlerquote von 26% während sie 2017 auf 2.25% gefallen ist. Vor diesem Hintergrund kooperiert Mindpeak nun weltweit mit Pathologen um ihren Zugang zu Trainingsdaten zu maximieren. Medizinstudierende lernen aktuell bereits neuronale Netze an, indem sie die Schnittbilder vorannotieren. Das Unternehmen ist so in der Lage KIs zu erschaffen, die nun auch den Zellkontext beachten können und damit noch genauer sind. So ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit für Morphologie und Zelle die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der erkannten Struktur tatsächlich um eine Zelle handelt. Auf diese Weise entstand auch der Algorithmus Breast IHC, der eine KI für mehrere Labore umfasst und damit auch in verschiedenen Umfeldern zuverlässig angewendet werden kann. In einer Live Demonstration zeigt uns Faber wie die KI funktioniert: wie ein Fahrassistent im Auto unterstützt der Algorithmus Patholog:innen. Er klassifiziert Zellen in einem Bildausschnitt vor und zählt den Anteil an tumorpositiven und -negativen Zellen. Sobald der Untersuchende glaubt, der Algorithmus habe vielleicht eine Zelle übersehen, da sie knapp die Kriterien der nach der Färbung ermittelten Farbintensität für diesen Zelltyp unterschreitet, kann er im Feintuning den Grenzwert anpassen und mit der KI zusammen eine optimale Bildauswertung erreichen. Wie beim Fahrassistent können Patholog*innen also jederzeit in den Prozess eingreifen und die Hand ans Steuer nehmen.

Als weiteres live Beispiel zeigt Faber den Nail Fungus Algorithmus der PAS gefärbte Nägel auf Hyphen untersucht. Innerhalb von Millisekunden zeigt die KI, die über einen Demoserver in Nürnberg die Bilder auswertet und ihr Ergebnis zurückschickt, die Top 5 wahrscheinlichsten Orte für Hyphen im Präparat, sodass sich Patholog:innen gezielt diese Strukturen anschauen können. Da es je nach Fragestellung oft reicht für die anschließende Therapie ein Positivergebnis zu ermitteln, spart der Algorithmus viel Zeit nicht jeden Bildausschnitt aufwendig auf Hyphen untersuchen zu müssen.

Durch das Zusammenspiel von Ärzt:innen und KI ist also eine optimale Bildbearbeitung möglich: Patholog:innen können Kontext, die KI wird nicht müde.

Auch wenn Künstliche Intelligenz heute vor allem als Buzzword genutzt wird, wünscht sich Faber, dass sie langfristig, wie ein PCR Gerät, als eine weitere Maschine in der Diagnostik verstanden wird. Es sei eine Technologie, die wie jede andere auch, ihre

Grenzen hat. So schließt Faber:


"Künstliche Intelligenz wird nicht die Weltherrschaft übernehmen, aber solide Arbeit ermöglichen."

LM


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